02.06.2017

„Brüder schweigen“

Der 26. Hauptverhandlungstag begann mit der Ankündigung des Vorsitzenden, die Protokolle des Gruppenchats der Vereinigung im Rahmen eines sogenannten Selbstleseverfahren, schriftlich in den Prozess einzuführen und nur ausgewählte Chatverläufe in der Hauptverhandlung zu verlesen. Eine solche Beweiserhebung im Selbstleseverfahren ist zeitsparend, schränkt aber die Möglichkeiten der Prozessbeteiligten ein, sich zu allen Details der Beweismitteln zu verhalten. Welche Teile dennoch verlesen werden sollen ist derzeit noch unklar.

Danach wurde ein Nachbar des Hausprojekts Overbeckstraße als Zeuge vernommen. Er war durch die Explosion von Sprengsätzen aufgewacht. Er hatte zunächst gesehen, wie drei maskierte Personen das Wohnprojekt mit größeren Steinen bewarfen. Weil sein Auto an der Straße geparkt war und er Angst darum hatte, ging der Zeuge auf die Straße, sah die Angreifer aber nur noch wegrennen.

Der Zeuge ging dann zum Hausprojekt und rief nach kurzer Unterhaltung mit den Bewohner_Innen gegen deren Wunsch die Polizei. Dem Notruf teilte er damals mit, es seien „gerade Granaten geworfen“ worden, „schätz mal das war ein Übergriff von Rechten auf Linke.“ Auf einen Angriff von Rechten schloss er aus der Tatsache, dass es sich um ein linkes Hausprojekt handelte.

Der Zeuge nahm wahr, dass Scheiben zerstört worden waren, Glasflaschen und Scherben auf der Straße lagen. Ausserdem stank es stark. Am auf der Rückseite des Hauses gelegenen Eingang sah er etwa sieben Personen hinter der Tür, von denen eine eine Eisenstange in der Hand hielt, auf dem Balkon im ersten Stock waren zwei vermummte Personen. Im weiteren Verlauf verließen etwa 10 bis 12 Personen das Haus. Der Zeuge beschrieb diese Personengruppe eindrücklich als verängstigt, sehr zurückhaltend und defensiv. Er habe das Gefühl gehabt, dass die Personen mit denen er sich im Anschluss unterhielt, die wirkliche Gefahr des Angriffes nicht realisiert hatten.

Im Anschluss sei die Polizei gekommen, habe sich zunächst einen Überblick verschafft und dann begonnen, die Anwesenden zu befragen.

Im Anschluss sollten zwei Brüder befragt werden, die auf einer Geburtstagsparty zusammen mit einigen Angeklagten am Abend des Angriffs auf die Geflüchtetenwohnung in der Bahnhofstraße gefeiert hatten. Deren Aussagen sollten der Überprüfung der Aussagen der Angeklagten Festing und Justin S. zum Ablauf der Tatnacht dienen. Da einer der Brüder jedoch Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft ist, konnten beiden Zeugen umfassend die Aussage verweigern. Mithin gibt es bislang keine Bestätigung für die Aussagen der Angeklagten. Auch die im Anschluss in Augenschein genommenen Fotos der Feier waren diesbezüglich wenig hilfreich, dienten jedoch der Belustigung der Angeklagten, welche mehrmals in Lachen ausbrachen.

Schließlich wurde eine Beamtin der Polizei in Freital vernommen, die als erste am Tatort Wilsdruffer Straße eingetroffen war und Fotos von den Tatfolgen gemacht hatte. Sie berichtete, dass sie zu einer „Detonation“ in der Wilsdruffer Straße fahren sollten, dies sei damals nichts ungewöhnliches in Freital gewesen. Die Bewohner seien aufgeregt gewesen und hätten sofort erzählen wollen, was ihnen passiert sei. Nachdem sie den Bewohnern erklärt habe, dass sie die Wohnung nicht mehr betreten dürfen, habe sie Fotos der Beschädigungen und der Splitter gemacht. Dabei sei ihr aufgefallen, dass die Splitter bis in den Flur geflogen seien. Auf Grund ihrer Erfahrung mit Einbruchsdelikten könne sie aber ausschließen, dass die Splitter durch die Bewohner bis in den Flur, z.B. an den Schuhen, getragen worden sein könnten. Dafür seien es zu viele gewesen.

Die kommende Woche ist auf Grund der Pfingstferien verhandlungsfrei. Der Prozess wird am 13.06.2017 fortgesetzt.

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