05.09./06.09.2017

Mühsame Beweisaufnahme und: die Innenkommunikation der Gruppe Freital – eifrige Nazi-Aktivisten

Die Beweisaufnahme bewegte sich in dieser Verhandlungswoche zwischen zwei Polen: einerseits die Inaugenscheinnahme von Ausdrucken des „Geheimchats“ zwischen den Gruppenmitgliedern, andererseits die Vernehmungen von Zeugen, von denen sich das Gericht Informationen über die Persönlichkeit und die inneren Einstellungen der Angeklagten erhofft.

Am Dienstag wurde zunächst ein Zeuge vernommen, der in der Zeit vor der Festnahme des Angeklagten Schiefner mit diesem in einem Wohnheim für Auszubildende gewohnt hatte. Dieser Zeuge betonte auffällig oft, was für ein netter und harmloser Typ Schiefner war, mauerte aber offensichtlich bei allen Fragen, die auf die politische Einstellungen des Angeklagten gerichtet waren. Die Vernehmung blieb völlig unergiebig. Zwei weitere Zeugen hatten sich regelmäßig nachts am Treffpunkt der Gruppe Freital, einer Aral-Tankstelle getroffen, so auch in der Nacht, in der das Büro der Partei die Linke angegriffen wurde. Auch diese Vernehmung blieb ergebnislos.

Am heutigen Mittwoch war eine Sachbearbeiterin des Bundeskriminalamtes geladen, die dicke Berichte zur Person des Angeklagten Knobloch geschrieben hatte. Es stellte sich allerdings schnell heraus, dass sie lediglich bereits vorliegende Berichte zusammengefasst und vermutliche keinerlei eigene Bewertung vorgenommen hatte. So kam es dann beispielsweise dazu, dass in einem der Vermerke die von den Angeklagten zu verantwortende Facebook-Seite „Widerstand Freital“ als an einen „asylkritischen“ Personenkreis gerichtet bezeichnet wurde. Die Seite enthielt zum Teil übelste nationalsozialistische und rassistische Hetze und Vernichtungsphantasien. Die Charakterisierung zeigt daher mit großer Wahrscheinlichkeit, wie wenig selbst das Bundeskriminalamt die ideologischen und inhaltlichen Aspekte in den Ermittlungen ernst nimmt, offensichtlich kein rein sächsisches Problem.

An beiden Tagen wurden umfangreiche Ausschnitte aus dem verschlüsselten Chatverkehr der Gruppenmitglieder in Augenschein genommen und die Textstellen verlesen. Die „Inaugenscheinnahme“, die abfotografierten Diskussionsverläufe werden gemeinsam angeschaut, ist notwendig, damit nicht nur der reine Text sondern auch die mitgeschickten Bilder, Emojis und ähnliches Thema der Beweisaufnahme werden.

Diskutiert wird beispielsweise die Zeugenaussage eines ehemaligen „Kameraden“, der nun den Angeklagten Schulz belastet und dessen Zeugenaussage aus der Ermittlungsakte im Chat gepostet wurde. Es wird diskutiert, ob man Druck auf den Zeugen ausüben kann, um ihn zur Rücknahme seiner Aussage zu bringen, oder ob man ihn direkt töten soll. Diskutiert wird auch, wie die rassistischen Proteste in Übigau eskaliert werden können, wie mit dem Verhältnis zwischen den in der Gruppe versammelten organisierten militanten Aktivisten zu den protestierenden Wutbürgern dauerhaft umgegangen werden soll. Der Chat dient dazu, gemeinsame Mobilisierungen zu Demonstrationen, teilweise zusammen mit der Kameradschaft Dresden, vorzubereiten. Gepostet werden aber auch Autokennzeichen oder Fotos von vermeintlichen politischen Gegnern, so zum Beispiel Bewohnern des später angegriffenen Wohnprojekts Mangelwirtschaft. Der Chat ist aber auch der Ort, an dem die Gruppenmitglieder ihren Gewaltfantasien gegen Geflüchtete und Andersdenkende völlig freien Lauf lassen. Im Chat erfolgt Zustimmung.

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