30.08.2017

Weitere Beweisaufnahme zum Angriff auf die Overbeckstraße, und: Schweigestrategie ehemaliger Weggefährtin

Der 44. Hauptverhandlungstag begann mit der Befragung eines ehemaligen Bewohners des Hausprojekts Overbeckstraße. Der Zeuge hatte zum Zeitpunkt des hier angeklagten Angriffes auf das Haus vorübergehend ein Zimmer im Erdgeschoss bewohnt. Als der Angriff begann, befand er sich nach seinen Angaben, gemeinsam mit zwei weiteren Personen, in der zur Straßenseite gelegenen Küche des ersten Stocks. Einer der Mitbewohner machte ihn auf Personen aufmerksam, die sich hinter einem Altglascontainer auf der gegenüberliegenden Straßenseite versteckten. So beobachtete der Zeuge den Beginn des Angriffes. Weil er aus dem ersten Stock sah, dass sich die Angreifer dem Haus näherten und er verhindern wollte, dass im Erdgeschoss Böller und mehr in das Haus geworfen wurden ging er ins Erdgeschoss, wo er sich, weil die zunehmenden Bedrohung in der Zeit davor einen Angriff wahrscheinlich erscheinen hatten lassen, in seinem Zimmer eine Eisenstange zurecht gelegt hatte. Er begab sich dann in die Küche im Erdgeschoss, wo er den Angriff abwartete. Da es keinen Versuch gab, in das Haus zu gelangen oder durch die Fenster etwas hineinzuwerfen, blieb er inaktiv. Allerdings konnte er auch nicht sehen, was vor dem Haus geschah, da es Angst hatte, durch die Fenster selbst gesehen zu werden.

Der Zeuge beschrieb einerseits, dass er einen Pflasterstein in der Küche gesehen hatte, der durch das Fenster geworfen wurde, dass ihm ein Mitbewohner erzählte, dass er wegen eines in seiner unmittelbaren Nähe explodierten Sprengkörpers ein Pfeifen im Ohr spürte und der Angriff insgesamt sehr massiv war. Nach seiner Einschätzung hätten sich ungefähr 10 Personen im Haus befunden, als es angegriffen wurde. Andererseits erzählte er aber auch eindringlich, wie sich die Stimmung im Stadtteil durch die rassistischen Proteste verändert hatte. Am Anfang dieser Proteste sei er noch gemeinsam mit anderen Bewohnern des Hauses, ausgestattet mit „Refugees Welcome“-Schildern, zu den Kundgebungen gegangen und habe mit den Protestierern diskutiert. Diese seien aggressiv gewesen, es habe sich aber im Rahmen gehalten. Nach der Räumung des Protestcamps sei er von den Protestierern mit dem Tod bedroht worden und nur wegen der anwesenden Polizeibeamten nicht angegriffen worden. Es wurde aber auch deutlich, dass der Zeuge ein sehr überlegter, auf Gemeinsinn und einen konstruktiven zwischenmenschlichen Umgang ausgerichteter Mensch ist. Dass ein Mensch wie dieser Zeuge sich genötigt sieht, sich vorsorglich eine Eisenstange neben das Bett zu legen, weil er Angriffe auf Leben und Gesundheit der Hausbewohner befürchtet, sagt mehr über die Situation in Dresden und Freital im Jahr 2015, als viele andere Beweismittel.

Ganz im Gegensatz zu dieser Vernehmung stand die Nachfolgende : die Zeugin, ehemalige Teilnehmerin in einem der offeneren Chats der Gruppe und als Ordnerin bei rassistisch ausgerichteten Demonstrationen in Freital aktiv, blockte, frech, anmaßend und unverschämt, alle relevanten Fragen mit offensichtlich vorgeschobenen Erinnerungslücken und dem Verweis auf mögliche Selbstbelastungen ab. Das Gericht, dass sich gegenüber den NebenklägerInnen der Mangelwirtschaft, die versucht hatten Angaben zu ihren MitbewohnerInnen zu verweigern, äusserst hart gezeigt hatte, machte keinerlei Anstalten, die Aussagepflicht der Zeugin durchzusetzen. Dies liegt zwar wahrscheinlich vor allem daran, dass die Aussage dieser Zeugin für die Anklage nicht relevant ist und durch die Vernehmung von Polizeibeamten ersetzt werden kann, hinterlässt allerdings einen schalen Beigeschmack.

Die Zeugin hatte einen engen Freund zur Polizei begleitet und dort Angaben gemacht. Dieser Freund sass mit dem Angeklagten Timo Schulz im Auto, als dieser ein Fahrzeug von Flüchtlingsunterstützern verfolgte, an einer Tankstelle gestoppt und angegriffen wurde. Er hatte Timo Schulz gegenüber der Polizei belastet. Dieser bedrohte ihn danach anscheinend. Ausserdem hatte sich die Zeugin mit der Angeklagten Kleinert gestritten. Diese hatte, vor einem geplanten Treffen, bei dem sich die beiden Frauen aussprechen wollten, mit Timo Schulz lang und breit diskutiert, wie man die Zeugin zusammenschlagen, töten und in einem nahegelegenen Fluss versenken könnte. Diese Gespräche sind bereits verlesen, die Vernehmungsbeamten werden vermutlich demnächst gehört.

Am Ende des Verhandlungstages sagte ein Polizeibeamter erneut aus. Er hatte einen Pyrotechnischen Sprengkörper, der nach dem Angriff auf die Overbeckstraße sichergestellt wurde und nicht explodiert war ,untersucht und berichtete, dass bei diesem Sprengkörper zwar die äussere Papierhülle mit der Markenbezeichnung entfernt wurde, er aber feststellen konnte, dass es sich um einen Sprengkörper des Typs Cobra 12 oder (baugleich) Viper 12 handelt. Von den Sachverständigen für Rechtsmedizin und Kriminaltechnik ist bekannt, dass diese Sprengkörper bei einer Explosion in weniger als einem Meter Entfernung tödliche Verletzungen verursachen können. Damit ist klar, dass der Tatplan für den Angriff auf die Overbeckstraße, der vorsah, solche Sprengkörper in die bewohnten Zimmer im Erdgeschoss zu werfen, zu tödlichen Verletzungen führen konnte.

Danach wurden noch Chatprotokolle aus dem sogenannten Schwarzen Chat verlesen und in Augenschein genommen. Diese Beweiserhebung ergab ebenfalls, dass die Gruppe die Gefährlichkeit der eingesetzten Sprengkörper kannte, damit experimentierte und über mögliche schwere Verletzungsfolgen, zum Beispiel bei Kindern, diskutierte.

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