Ein Bumerang der Verteidigung Schulz und: in kleinen Schritten Richtung Urteil
Am letzten Verhandlungstag vor der Weihnachtspause zeigte sich erneut, dass die Verteidigung insgesamt kein Konzept hat und ihre Anträge teils aufs Gradewohl stellt: Die Verteidigung Schulz hatte die Vernehmung einer Ermittlungsbeamtin aus dem Komplex Freie Kameradschaft Dresden beantragt. Diese Beamtin, so die Verteidigung, würde bestätigen, dass die Aussagen des Angeklagten Schulz für erhebliche Aufklärung in dem Verfahren gegen die Kameradschaft gesorgt hätten. Die Aussage der Zeugin belegte allerdings nahezu das Gegenteil: Mit Timo Schulz habe sie nie was zu tun gehabt, sie habe nur in ihrem Bericht Bezug genommen auf ihr vorliegende Aussagen von ihm. Jedenfalls für den Komplex des Angriffes auf die Flüchtlingsunterkunft Podemusstraße habe seine Aussage keine Bedeutung gehabt. Wichtig gewesen sei die Aussage eines FKD-Mitglieds, der letztes Jahr vor dem Landgericht Dresden erstinstanzlich verurteilt wurde. Dieser habe seine Angaben aber gemacht, bevor Schulz zu dieser Thematik vernommen wurde. Es fragt sich wirklich, ob die Verteidigung tatsächlich darauf gehofft hatte, dass die Zeugin vielleicht mangels Erinnerung die Aussage des Angeklagte Schulz überbewerten würde, oder welche vage Hoffnung sie sonst zu diesem Beweisantrag gebracht hat. Nach dieser Zeugenaussage wurde jedenfalls deutlicher als zuvor, dass die Aussagen des Angeklagten Schulzes nicht zu einer Strafmilderung nach der Kronzeugenregelung führen können.
Im Anschluss an diese Zeugenvernehmung wurden verschiedene Stellungnahmen zu den weiteren offenen Beweisanträgen der Verteidigung abgegeben. Die Verteidigung erwiderte mit den seit Prozessbeginn beinahe gleichbleibenden Argumenten: es habe doch kein Mitglied der Gruppe Freital ahnen, dass diese Sprengmittel so gefährlich sind, die Angriffe seien doch nicht so schlimm gewesen, weil ja niemandem ernsthafte Verletzungen erlitten habe, die Bewohner des Hausprojekts Mangelwirtschaft seien ja selber schuld und ausserdem sei ja ein Mitglied des Protestcamps in Übigau überfallen worden. All dies zog sich, mit Unterbrechungen, über mehrere Stunden hin.
Zum Abschluss des Verhandlungstages lehnte der Senat den größten Teil der offenen Beweisanträge ab.
Die Begründung der Ablehnungen muss den Angeklagten deutlich machen, dass ihr Verteidigungskonzept endgültig gescheitert ist. Zur Gefährlichkeit des Einsatzes der C-12 Sprengsätze in der Wilsdruffer Straße führt der Senat in einem der Beschlüsse aus:
„Das Gegenteil dieser behaupteten Beweistatsache ist durch das Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Rothschild bereits erwiesen. Unter Auswertung der Versuche mit gleichen Sprengkörpern und Nachbau des angegriffenen Fensterbereiches hat der Sachverständige ausführlich, nachvollziehbar, widerspruchsfrei und auf vielfältige Nachfragen stets ruhig und vertiefend dargelegt, dass die konkrete Verwendung der C12-Pyrotechnik beim Anschlag auf die Wohnräume der Asylbewerberunterkunft Wilsdruffer Straße zu einem dichten und breiten Splitterfeld, bestehend u.a. aus Glas- und Fensterrahmenteilchen, führte. Eine Vielzahl dieser Teilchen wäre in der Lage gewesen, nicht nur schwerste Augenverletzungen herbeizuführen, sondern auch die menschlichen Hautschichten zu durchdringen und in das Bindegewebe einzudringen. Bei einem Auftreffen im Bereich des Halses wären solche Teilchen in der Lage gewesen, Blutgefäße zu öffnen und lebensgefährliche Situationen für Betroffene, etwa durch hohen Blutverlust oder eine Embolie, zu verursachen.“
„Unabhängig davon, ob Name und Existenz der Drosselvenen mehrheitlich bekannt sind, ist es jedenfalls allgemeinkundig, dass der Halsbereich eine besonders gefährdete Körperstelle darstellt und bei einer scharfkantigen Verletzung desselben lebensgefährliche Verletzungen drohen. Auch medizinischen Laien ist bekannt, dass der Hals von mehren großen Blutgefäßen durchzogen wird und insbesondere eine Verletzung der Halsschlagader unmittelbar tödlich wirken kann.“
Damit kann kein vernünftiger Zweifel mehr an einer Verurteilung wegen versuchten Mordes wegen dieses Anschlages bestehen.
Trotzdem versuchte sich die Verteidigung Seidel ein mal mehr mit einem Beweisantrag, der am nächsten Verhandlungstag abgelehnt werden wird, aber nochmals die hilflose Argumentation der Verteidigung deutlich macht. Weil bei der Hausdurchsuchung am 5.11.2015, also nach den angeklagten Taten, Sprengkörper mit einer Gesamtmenge von mehr als 900 Gramm Sprengstoff aufgefunden worden seien, diese Sprengstoffmenge aber bei den zuvor durchgeführten Anschlägen nicht eingesetzt worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Angeklagten nicht die maximal mögliche Sprengwirkung einsetzen wollten. Aus diesem Grunde müsse davon ausgegangen werden, dass die Angeklagten bei den vorangegangenen Taten nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt hätten. Diese Argumentation ist nicht nur deshalb absurd, weil die aufgefundenen Sprengsätze ja nach den vorangegangenen Taten beschafft worden sein können, sondern, weil die Angeklagten nach ihren vorangegangenen Sprengversuchen schlicht davon ausgehen mussten, dass die eingesetzten Sprengmittel für lebensgefährliche Verletzungen ausreichend seien.
Zum Abschluss des Verhandlungstages machte einer der beisitzenden Richter, freundlich aber bestimmt, deutlich, dass das Gericht nicht gewillt ist, alle Lügengeschichten der Angeklagten einfach so hinzunehmen. Er wies den Angeklagten Knobloch darauf hin, dass dessen von seinen Verteidigern verlesene Einlassung eine Teileinlassung darstelle. Grundsätzlich darf einem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, wenn er schweigt und keine Aussage macht. In Fällen, in denen ein Angeklagter aber nur zu einzelnen Aspekten der ihm vorgeworfenen Taten eine Aussage macht, kann sein unvollständiges „Teilschweigen“ allerdings berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund wolle er Knobloch Gelegenheit geben, nochmals umfangreiche Fragen zu beantworten. Die Verteidigung Knobloch gab an, dies nochmals überlegen zu wollen.