Beginn der Beweisaufnahme: Einer spricht und bestätigt die Anklage vollständig
Der zweite Verhandlungstag in dem Strafverfahren gegen acht Mitglieder der sogenannten „Gruppe Freital“ bestätigte in vollem Umfang die Anklage der Bundesanwaltschaft. Nachdem der erste Verhandlungstag von einer Vielzahl von Anträgen der Verteidigung geprägt und der Eindruck entstanden war, diese würde weitere unberechtigte grundsätzliche Zweifel an dem Prozess vorbringen, kam das unerwartet.
Die hektischen Verteidigeraktivitäten des ersten Verhandlungstages erwiesen sich allerdings als Sturm im Wasserglas, so dass heute direkt in die Beweisaufnahme eingetreten werden konnte.
Dabei wurde deutlich, dass die Aussagen des größten Teils der Angeklagten gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren offensichtlich rein taktischer Natur waren und auf eine Haftentlassung zielten. Am heutigen Tage verweigerten jedenfalls alle Angeklagte bis auf den Jüngsten, die Aussage „zum jetzigen Zeitpunkt“.
Der 19-jährige Justin S. bestätigte in seiner fast fünfstündigen Aussage zum Teil ungewollt die Anklage in wesentlichen Punkten. Obwohl er immer wieder mit Antworten stockte und erkennbar seine Tatanteile zu verharmlosen versuchte, beschrieb er ausführlich, wie er zunächst zur Bürgerwehr Freital und damit auch in die „Gruppe Freital“ kam, wie in dieser Gruppe einerseits bei Treffen an der lokalen Tankstelle, andererseits zunächst über WhatsApp und schnell über einen verschlüsselten Chat diskutiert wurde und dabei Anschläge gegen politische Gegner und Flüchtlinge besprachen, planten und durchführten.
Justin S. beschrieb ausführlich die Anschläge, soweit er daran beteiligt war. Sein Versuch sich selbst besser zu stellen, scheiterte allerdings: bei dem als Mord angeklagten Anschlag in der Wilsdruffer Straße hätte er mit drei Mittätern, einer davon im Fluchtauto, zunächst die Wohnung beobachtet und festgestellt, dass in einem der Zimmer Licht brannte und sich Leute dort aufhielten. Es seien pyrotechnische Sprengkörper mit dem Auftrag ausgeteilt worden, diese an jeweils eine Scheibe zu kleben und zu zünden. Die Sprengkörper seien mit einer verlängerten Zündschnur und zusätzlicher Umklebung modifiziert worden. Aus Sprengversuchen und Filmen davon, aber auch aus eigener Anschauung habe er gewusst, dass diese Sprengkörper „tödlich“ und äusserst gefährlich wären. Daher habe er seinen nur auf die Fensterbank gelegt, in der Hoffnung, damit weniger Gefahren zu verursachen. Dass er damit deutlich machte, wie lebensgefährlich er die gerade gemeinschaftlich mit seinen beiden Mittätern begangene Tat hielt, fiel ihm selbst nicht auf.
Alles in Allem beschrieb der Angeklagte klar und nachvollziehbar die Struktur der Vereinigung, das arbeitsteilige Vorgehen aber auch das Bewusstsein der Beteiligten über die Lebensgefährlichkeit und Strafbarkeit ihrer Aktivitäten. Bei seiner Beschreibung eines abendlichen „Fototermins“ mit „Hakenkreuz-fahnen“, „Widerstandsfahnen“ und Freital-Emblem beschrieb er ein gruppendynamisches Bild das einen der beisitzenden Richter zu der Frage drängte, ob er das Horst-Wessel-Lied und die Textzeile „Die Fahnen hoch, die Reihen fest geschlossen …“ kenne.
Die Befragung wird am Mittwoch fortgesetzt.
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