21.03.2017

Polizeiliche Ermittlung des Tatmotivs: „Rote Fahne, weisser Kreis, mit irgendeinem Kreuz drin“ – nicht tatrelevant!

Am heutigen, 4. Verhandlungstag wurden Polizeibeamte des „Operativen Abwehrzentrums“ (OAZ) vernommen, also Mitarbeiter der besonderen sächsischen Abteilung zur Ermittlung in Fällen von „Politisch motivierter Kriminalität“, die mit den Ermittlungen gegen die Gruppe Freital betraut waren, bis die Bundesanwaltschaft das Verfahren an sich zog. Das Ergebnis war ernüchternd.

Der erste Zeuge, immerhin ein Erster Kriminalhauptkommissar – das ist der höchste Dienstgrad bzw. die höchste Amtsbezeichnung der deutschen Polizeivollzugsbeamten des gehobenen Dienstes – war in leitender Position bei der Hausdurchsuchung und Festnahmeaktion beim Angeklagten Schulz beteiligt.

Wichtig war dem Beamten die Feststellung, dass die Wohnung, die Schulz gemeinsam mit seiner Freundin bewohnte, ordentlich war und vortrug, für die eine Tat ein Alibi zu haben. Obwohl die eingesetzten Polizeibeamten laut Durchsuchungsbeschluss auch Unterlagen und Gegenstände sicherstellen sollten, die auf die Tatmotivation für die Anschläge auf Flüchtlinge Rückschlüsse erlauben, hatte der Spezialist für politisch motivierte Kriminalität keine Erinnerung an eine CD, die mit „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ beschriftet war. Diese Band hat Lieder wie den „Dönerkiller“-Song veröffentlicht, der sich über die Morde des NSU lustig macht. Die CD wurde daher nicht sichergestellt, sondern dem Angeklagten „belassen“. Auch eine „Reichkriegsfahne“ war dem Beamten nicht tatrelevant erschienen.

Der Verteidiger des Angeklagten Schulz war sich danach auch nicht zu schade vorzutragen, die ordentliche Wohnung und die Tatsache, dass keine Hitlerbilder in der Wohnung hingen, würden gegen den in der Anklage erhobenen Tatvorwurf des versuchten Mordes sprechen. Die Nebenklage wies dagegen darauf hin, die Nazipropaganda und die menschenverachtende Musik-CD würden deutlich machen, dass hier eine tiefverwurzelte nationalsozialistische Gesinnung vorlag und keine dynamische Radikalisierung während der sogenannten Flüchtlingskrise, wie die Verteidigung glauben machen will.

Der nächste Polizeizeuge hatte den PC des Angeklagten Schulz ausgewertet. Leider, so seine Darstellung, hatte er lediglich eine Suche nach einer Reihe von vorgegebenen Schlagwörtern durchgeführt. Er habe diese Stichwortliste und eine vorgegebene Zeitspanne vorliegen gehabt und danach die Auswertung „durchlaufen“ lassen.

„Händisch“ habe er allerdings Fotos gefunden, auf denen sich offensichtlich die Freitaler Gruppe mit Fackeln und Hakenkreuzfahne posierte. Diese Bilder hatte die Gruppe auch zur Aussendarstellung veröffentlicht. Auch ein Foto des zerstörten PKW des Linkspartei-Politikers Richter habe sich auf dem Rechner befunden.

Als die Frage auf weitere Ermittlungshandlungen der Zeugen kamen, konnte er sich nicht erinnern, weil er sich nicht vorbereitet habe. Der Zeuge wird am 04.04.2017 nochmals vernommen werden.

Als letzter Zeuge wurde ein Beamter befragt, der unter andrem bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten Wendlin leitend beteiligt war.

Ihm war aufgefallen, dass die Wohnung des Beschuldigten nicht ordentlich war und überall Pyrotechnik sowie Aufkleber mit „asylfeindlichen Inhalt“ in relativ grossen Stückzahlen herumlagen.

Aufkleber mit Nazimotiven bezeichnete der Beamte als „Andenken“. Kein Wunder, dass die sächsische Polizei keine Ermittlungsergebnisse zu der rassistischen Motivation der angeklagten Taten liefern und einen Organisationszusammenhang zwischen den Angeklagten ebenfalls nicht erkennen konnte.

An weitere Gegenstände von Verfahrensrelevanz in der Wohnung konnte er sich nicht erinnern. Auf die Frage nach Gegenständen mit NS-Hintergund erinnerte er sich zwar an eine rote Fahne mit weissem Kreis und „einem Kreuz“ konnte dies aber nicht spezifizieren, es könne sich aber auch um eine Hakenkreuzfahne gehandelt haben. Tatrelevanz hatte er diesem Fund nicht zugeschrieben.

Nach der Vernehmung dieser Ermittlungsbeamten, die offensichtlich keinerlei Wert auf Nachweis einer rassistischen, nationalsozialistischen Tatmotivation legten, war klar, warum die hier vorgeworfene Taten zunächst lediglich als versuchte gefährliche Körperverletzung beim Amtsgericht angeklagt werden sollten.