10.05.2017

Vernehmung der Bewohner der Flüchtlingswohnung Wilsdruffer Straße und: Scheingefechte der Verteidigung

Am heutigen Tag wurden die letzten beiden Bewohner des Anschlagsobjekts Wilsdruffer Straße vernommen. In der Wohnung waren noch deutlich mehr männliche Geflüchtete aus Syrien untergebracht, zum Tatzeitpunkt waren aber nur vier davon anwesend. Drei von ihnen befanden sich in der Küche, einer in einem anderen Zimmer auf seinem Bett, als insgesamt drei Sprengkörper, an jedem Zimmer einer, von aussen an den Fenstern gezündet wurden.

Nachdem sich die Vernehmungen der ersten beiden Wohnungsbewohner gestern sehr lange hingezogen hatte und von zum Teil sinnlosen, aber stark verunsichernden Nachfragen der Verteidiger dominiert waren, verliefen die beiden Vernehmungen heute ohne besondere Schwierigkeiten. Insgesamt wurde aber sehr deutlich, welchen Schwierigkeiten Zeugenaussagen von Geflüchteten vor Gericht unterliegen:

Direkt nach der Explosion in der Wohnung war ein deutscher Nachbar hinzugekommen. Einer der Geflüchteten konnte diesem auf Englisch schildern, was er erlebt hatte. Im Anschluss erschien die Polizei, die vor Ort ohne jede vernünftige Übersetzung trotzdem den Sachverhalt „aufnahm“ und daraus anschließend einen Vermerk erstellte, dessen Inhalt noch in der Hauptverhandlung eine Rolle spielte. Es folgten weitere Vernehmungen, größtenteils mit unfähigen Dolmetschern.

Die Folge nun war, dass die „Aussagekonsistenz“, also die Überprüfung, ob die Aussage der Zeugen im Laufe der Vernehmungen gleich bleibt, eines der maßgeblichen Glaubwürdigkeitskriterien, anhand von absolut fragwürdigen, weil ohne verlässliche Übersetzung erstellten, polizeilichen Vernehmungen erfolgte. Auch die Übersetzung in der Hauptverhandlung war nicht problemfrei, weil der Gerichtsdolmetscher beispielsweise die Aussage eines der Zeugen, der vor seiner Flucht in Syrien Arabistik studiert hatte, in stockendes „Ausländerdeutsch“ verwandelte.

Ausserdem weigerten sich die Fragesteller teilweise, die besonderen Lebensbedingungen von Geflüchteten in Deutschland auch nur im Ansatz anzuerkennen. Die Tatsache, dass ein Betroffener nicht zum Arzt gegangen war, weil er sich nicht in der Lage sah, einen für den Arztbesuch notwendigen Dolmetscher zu besorgen und seine Teilnahme an einem Sprachkurs wichtiger einschätzte, wurde als Beleg dafür gewertet, dass er nicht wirklich verletzt war.

Die Verteidigung arbeitete sich entsprechend stundenlang an vermeintlichen oder zum Teil tatsächlichen Widersprüchen in den Aussagen der Zeugen ab, obwohl diese den Kern der hier vorgeworfenen Tat überhaupt nicht berühen. Tatsächlich wurde der als vierfacher versuchter Mord angeklagte Anschlag bereits von zwei Angeklagten gestanden. Zuletzt hatte der Angeklagte Festing beschrieben, wie er sich an das Küchenfenster geschlichen, Personen im Zimmer gesehen und seinen Sprengsatz, auch als Startsignal für seine beiden Mittäter, gezündet hatte.

Die Zeugen hatten angegeben sich zu dritt in der Küche befunden und die brennende Zündschnur gesehen zu haben. Daraufhin hatten sie fluchtartig das Zimmer verlassen. Einer der Zeugen hatte allerdings behauptet, er habe sich noch in der Küche befunden, als die Explosion erfolgte. Die beiden anderen hatten angegeben, sie hätten es alle drei auf den Flur geschafft und die Tür hinter sich geschlossen, als der Sprengsatz explodierte. Der vierte Bewohner lag auf seinem Bett, als die Explosion am gegenüber seines Bettes befindlichen Fenster erfolgte. Er wurde im Auge und an der Stirn verletzt.

Zweifel daran, dass die vier Zeugen sich während des Anschlages in der Wohnung befanden, behauptete allerdings nicht einmal die Verteidigung. Für die Frage des versuchten Mordes spielen daher die hochgespielten Widersprüche in den Aussagen der Zeugen keinerlei Rolle.

Angesichts dieser äusserst schwierigen Ausgangs- und nun auch Befragungssituation der Betroffenen wird noch einmal deutlich, dass die Verweigerung von Prozesskostenhilfe für die Nebenklage durch die Dresdner Staatsanwaltschaft und das Dresdner Amtsgericht vor der Übernahme durch den Generalbundesanwalt in erster Linie darauf zielte, deren Position zu verschlechtern, nach Möglichkeit schlechte Aussagen im Ermittlungsverfahren zu produzieren und damit die Voraussetzungen für eine Erledigung des Strafverfahrens ohne große Öffentlichkeit zu schaffen.

Die Angeklagten Justin S. und Patrick Festing „nutzten“ die Anwesenheit der Betroffenen, um sich zu entschuldigen. Nach der Vernehmung der Betroffenen des Anschlages in der Bahnhofstraße hatte die Nebenklage festgestellt, dass die vollmundigen Reuebekenntnisse offensichtlich nur taktischer Natur sind, wenn die Angeklagten gegenüber denjenigen, die sie in Lebensgefahr gebracht hatten, nicht einmal ein Wort des Bedauerns finden. Am Dienstag wurde jedoch zunächst einmal mehr deutlich, dass alle bislang geäusserten Entschuldigungen lediglich an das Gericht gerichtet waren, um eine Strafmilderung zu erreichen. So erfolgte die erste Entschuldigung des Angeklagten Justin S., nachdem der Geschädigte den Saal bereits verlassen hatte. Allerdings erwiesen sich die beiden reuigen Angeklagten zumindest insofern als lernfähig, dass sie sich ab dem nächsten Betroffenen am Ende dessen Vernehmung direkt an diesen wandten. Dies war allerdings auch fast nicht anders möglich, denn zwei der Zeugen wandten sich ihrerseits direkt and die Angeklagten und forderten diese auf ihnen zu erklären, warum sie diese Tat begangen hätten. Sie selbst seien doch nur aus dem syrischen Bürgerkrieg geflohen, um in Frieden leben zu können und hätten niemandem etwas angetan. Eine Erklärung blieben allerdings beide, als reuig auftretende Angeklagte, schuldig. Sie beschrieben einmal mehr, dass sie jetzt gelernt hätten, dass man für solche Taten ins Gefängnis kommt und daher in Zukunft straffrei leben wollten. Kein Wort zur Tatmotivation, zu Rassismus und Naziideologie, zu der zugrundeliegenden Gruppendynamik. Tatsächlich scheint der sehr junge Justin S. zu solcher Reflexion gar nicht in der Lage und wirkt tatsächlich mitgenommen. Der als Rädelsführer angeklagte Festing, der sich in fast kumpelhafter und belehrender Art an seine Gesprächspartner wandte, wäre aber offensichtlich zu einer solchen Erklärung in der Lage und ist schlicht nicht bereit die Forderung der Betroffenen auf eine Erklärung zu erfüllen. Die übrigen Angeklagten schweigen ohnehin und zeigen, dass sie weder an der Aufklärung interessiert sind, noch sich in irgendeiner Weise für die Lebenssituation der zu ihren Feinden auserkorenen Menschen interessieren.

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